Engeldämmerung. Warum der ADAC Mitglieder verliert

Engeldämmerung. Warum der ADAC Mitglieder verliert. http://www.fraukrone.blog

Die größte Mitgliederorganisation Deutschlands – größer als alle Kirchen, Parteien und NGOs, hundert Mal größer als der weltweit größte Fahrradclub – verliert Mitglieder. Der ADAC, diese Konzern gewordene Christophorus-Plakette, Schutzpatron aller braven Bürger, Heilsversprecher der freien motorisierten Fahrt, schrumpft.

Diesmal nicht wegen Schummel-Autorankings oder einer vergeigten Gartenzwerg-Kampagne. Wohl auch nicht wegen unklarer Haltung zu Tempo 130 auf Autobahnen. Corona? Naja. Der aktuelle ÖPNV-Exodus hätte den PS-Aposteln doch eher neue Jünger bescheren müssen. Die Zahl der Zulassungen jedenfalls ist 2020 weiter gestiegen.

Nein. Der ADAC verliert veränderungswillige Mitglieder, weil sich seine konservativen Kräfte gegen die Verkehrswende stemmen.

Verbal ist der ADAC zwar in den neuen Mainstream eingebogen, will „längst nicht mehr ein reiner Automobilclub“ sein. Die ADAC-Pannenhilfe kommt neuerdings auch mal mit dem Rad, weil sie mit dem Auto zu lange im Stau steht. Kürzlich widmete der ADAC dem Fahrradtrend in der Motorwelt ein Spezial und bekannte, dass beim Straßenbau bisher „Fahrradfahrer und Fußgänger bekommen (haben), was übrig geblieben ist“. Sogar einen Radwegetest hat der ADAC gemacht und als Neuigkeit verkündet, was jedes Kind weiß: Die meisten Radwege in Deutschland sind grottig schlecht und zu schmal. Wenn es überhaupt welche gibt.

Wenn es aber ernst wird auf der Straße, wenn wirklich Platz vom Autoverkehr zugunsten von neuen, breiten Radwegen verknappt werden muss, mauert der ADAC. Dann warnt ADAC-Präsident Hillebrand vor Stau durch neue Fahrradwege – und die ADAC-Regionalfürsten stemmen sich gegen die Umgestaltung von Fahrstreifen in breite Radwege oder freuen sich, wenn Radwege wieder zurückgebaut werden. Und die ohnehin nicht besonders mutigen Rathäuser und Verkehrsverwaltungen knicken gleich mit ein.

Einen geradezu revolutionären Blogpost zum Thema „Neue Radwege und Fahrradstreifen bremsen Autofahrer garnicht aus“ hat der ADAC wohl nach internen Querelen wieder gelöscht. Zum Glück ist der erstaunte Welt-Artikel „ADAC fordert plötzlich mehr Fahrradstreifen“ noch da.

Zarte Reformversuche werden offenbar im Keim erstickt. Der ADAC bleibt auch in der Mitgliederkommunikation Speerspitze der Auto-Dominanz. Und zwar des großen Autos:

„Immer mehr Autokäufer entscheiden sich … zum Kauf eines Vans oder eines Geländewagens. So ist die Fahrzeugbreite des Durchschnittsautos in Deutschland in den letzten zehn Jahren um 15 cm angestiegen (…). Hierbei handelt es sich um eine Tatsache, die wir zur Kenntnis nehmen. Der Kunde hat sich so entschieden (…).“

Auszug aus einer Kündigungsbestätigung des ADAC

Was hat die SUV-Schwemme mit Radwegen zu tun? Es geht um Platz natürlich. Die Städte sind jetzt schon am Anschlag – zugestaut, laut, stressig, gefährlich. Mit Rad oder Kinderwagen kommt man manchmal kaum durch. Es gibt nicht genug Platz für 50 Millionen Autos UND breite Radwege und Fußwege in Deutschland. Erst Recht nicht, wenn die Autos die Größe von Pickup-Trucks haben. Wir müssen unsere lieb gewonnene Mobilität mit weniger und kleineren Autos organisieren und mehr Platz für Menschen schaffen, die sich aus eigener Kraft fortbewegen. Das hat sogar der Bundesverkehrsminister kapiert.

Sehr zutreffend hat Verkehrswissenschaftler Ilgmann kürzlich in einem FAZ-Beitrag festgestellt: „Illusionen behindern die Verkehrswende – ohne Umverteilung des öffentlichen Raums wird es nichts mit neuer Mobilität.“

Ein ADAC, der sich dieser Wahrheit verweigert, verliert den Alleinvertretungsanspruch und die Zukunftzugewandten – und schafft sich selbst ab.

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